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Süchtig nach Grün

Isabelle Erne und Yves Mouquin sind von Kopf bis Fuss auf Pflanzen eingestellt. Im beschaulichen Romainmôtier VD, berühmt für seine romanische Abtei, leben sie ihre Passion gleich in zwei Gärten aus.

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Anspruchsvoll wie kleine Kinder: Weil das Giessen der über fünfhundert Topfpflanzen fünf Stunden in Anspruch nimmt, können Isabelle Erne und Yves Mouquin selten gemeinsam in die Ferien reisen.

Gemächlich führt die Strasse durch Wälder, blühende Felder und Wiesen zu den Ausläufern des Schweizer Juras empor. Plötzlich schiebt sich ein verwunschenes Städtchen ins Blickfeld. Mit seinen historischen Gebäuden wirkt es wie aus einer anderen Welt. Romainmôtier im Waadtland kann sich gleich zweier Superlative rühmen: Die Abtei ist das älteste romanische Bauwerk des Landes, und sie wurde zwischen 990 und 1030 auf den Ruinen des ältesten Klosters errichtet. Augenfällig ist das südliche Flair. An vielen Ecken blüht es schon im Frühling üppig. Die Südlage am Hang und die vielen warmen Tage haben bereits zahlreiche Gehölze aus der Reserve gelockt.

Gegenüber der Place des Marronniers, dem Platz der Kastanienbäume, fällt ein lachsrosa Haus auf, an dessen Fassade sich die duftenden violetten Blütentrauben einer Glyzinie schmiegen. Die wüchsige Kletterpflanze ist sichtlich in ihrem Element und hat den Frühling zeitig eingeläutet. Auf den Stufen zur Gartenpforte hat sich ungeniert eine Hauswurz niedergelassen. Ein zauberhaftes Empfangskomitee für das dahinterliegende grüne Reich. Beim Betreten spürt man die Liebe zu Pflanzen und die Energie der Besitzer. Jede freie Fläche wird von Gewächsen besetzt: Waldreben, Rosen und andere Kletterer hangeln sich an den Wänden hoch, Frühjahrsblüher setzen in Töpfen fröhliche Akzente. Gewächshaus und Wintergarten bieten den empfindlicheren Exemplaren Schutz und Platz für Stecklinge und Sämlinge. Der im angelsächsischen Raum verbreitete Begriff «Plant Lover’s Paradise» kommt einem in den Sinn – und wahrlich: Hier kommen Pflanzenliebhaber auf ihre Kosten!

Isabelle Erne und Yves Mouquin haben das historische Bauernhaus, das einst Teil eines herrschaftlichen Gutes war, 1994 erstanden. Das tausend Quadratmeter grosse Grundstück erstreckt sich über sieben Terrassen und fünfunddreissig Höhenmeter über einen nach Süden ausgerichteten Steilhang hinter dem Haus, der oben von Mischwald begrenzt ist. Abgesehen von Schwindelfreiheit und Trittsicherheit braucht es Mut und Visionen, um ein solches Gelände zu gestalten und zu pflegen. Das teils exotisch anmutende Blütenmeer ist das Ergebnis jahrzehntelanger liebevoller Arbeit und Hingabe.

«Am Anfang waren wir sehr mit der Hausrenovierung und unseren drei Kindern beschäftigt», erzählt Isabelle Erne, «aber das hielt uns nicht davon ab, mit der Gestaltung des Gartens zu beginnen.» Die ersten Aktionen waren allerdings weder kreativ noch erfreulich, denn es galt, zig Tonnen von Steinen und Baumaterial zu entfernen, um den Boden für die Bepflanzung vorzubereiten – eine monatelange Knochenarbeit. Einige Ziersträucher und Obstbäume waren als Hauptstrukturen des Gartens vorhanden, darunter eine Forsythie, die mit Wurzelschösslingen eine grosse Fläche des Hangs erobert hatte und mühselig entfernt werden musste.

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Auf der Treppe zum Paradies: Isabelle Erne und Yves Mouquin haben einen unscheinbaren Steilhang in eine Oase für Fauna und Flora verwandelt. Vor fast dreissig Jahren haben sie damit begonnen.

Starkes Duo

Isabelle und Yves haben sich an der Uni kennengelernt. Isabelle, ein Naturkind vom Land, leistete in ihrer Kindheit der Mutter im Garten Gesellschaft und war fasziniert von Pflanzen und Tieren. Mit Puppen spielen war nie ihr Ding, lieber wühlte sie mit den Händen in der Erde. Ihre Naturliebe führte zu einem Biologiestudium, später unterrichtete sie, stellte aber bald fest, dass sie im «grünen Sektor» besser aufgehoben ist. Yves’ Hintergrund könnte unterschiedlicher nicht sein. Als Städter hatte er am Anfang mit Garten nicht viel am Hut. Er machte eine Ausbildung zum Sportlehrer. Alsbald aber begannen ihn Zimmerpflanzen zu faszinieren, die er in grosser Zahl in seiner Studentenwohnung hielt. Heute sind es zusammen mit den Töpfen im Freien stattliche fünfhundert Topfpflanzen, die es zu pflegen gilt.

Da beide gerne aktiv sind und mit Pflanzen arbeiten, entschieden sie sich für eine berufliche Neuorientierung. Isabelle begann 1990 ein Praktikum bei der Wochenzeitung «Terre & Nature», die sich dem Leben im Grünen und mit Grünem verschrieben hat. Heute arbeitet sie neben einem Teilzeitpensum für die Zeitung auch für andere Magazine und Unternehmen aus der grünen Branche. Yves machte eine Weiterbildung als Journalist. Durch ihre Tätigkeit eigneten sie sich das nötige Fachwissen für die Gestaltung der eigenen Scholle an. «Ich empfehle allen, bei einem Hauskauf den Garten erst einmal ein Jahr zu beobachten», erläutert die Fachfrau, die seit etlichen Jahren für die Pflege der Grünanlagen in der Gemeinde zuständig ist und auch Gartencoaching anbietet. «Nur so kann man die klimatischen Bedingungen eruieren und entdecken, was auf dem Grundstück alles wächst.»

In ihrem Fall erwies sich der Boden als sandig und humusarm. «Das Klima ist ähnlich wie in der Garrigue, der Heidelandschaft des Südens. Nur die Zikaden fehlen», sagt Isabelle Erne mit einem Augenzwinkern. Am Anfang haben sie einiges an Lehrgeld gezahlt, da viele ihrer Lieblingspflanzen mit der Hitze und der Trockenheit nicht zurechtkamen. Schnell passten sie sich aber den Gegebenheiten an und wählten fortan überwiegend wärmeliebende Arten. Die Sehnsucht, auch andere Arten zu kultivieren, blieb jedoch, weshalb sie sich zehn Jahre später zum Kauf eines zweiten Grundstücks entschieden.

Text und Fotos Annette Lepple

Diese Reportage erschien in der Schweizer LandLiebe #2/2023. Lesen Sie den ganzen Artikel im E-Paper.

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